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China Tag 12 – Sechs Hochzeiten und Ganbei!

Der Tag begann früh. Um es deutlicher zu sagen, der Tag begann, bevor der Tag davor überhaupt richtig vorbei war. Dieser Tag begann um 7:45 Uhr (!!!).

Pünktlich um halb neun (!!!) versammelten sich alle deutschen Hochzeitsgäste im hoteleigenen brasilianischen (fragt nicht) Restaurant zu dem, was in China allgemein als Frühstück bezeichnet wird. Zum Frühstück gibts dort eigentlich ganz leckere Sachen, gerne gefüllte Teigtaschen zum Beispiel. Dummerweise  versuchen sie sich dabei auch an süßen Varianten und das haben sie definitiv nicht drauf. 

Jedenfalls waren alle deutschen pünktlich um 9 Uhr (!!!) fertig und abfahrbereit. Wir warteten auf die Autos. Wie wir zwischendurch erfuhren, gab es noch bis spät in die Nacht Diskussionen im Planungsstab der Hochzeitsorganisatoren, welcher die komplette Familie der Braut, vermutlich auch inklusive aller 400 erwarteten Hochzeitsgäste, abzüglich der Fraktion um den Bräutigam, beinhaltete. Jedenfalls war noch lange nicht klar, wieviele Autos nun eigentlich gleich kommen sollten und wer dann alles damit fahren sollte. Die Aussicht, umsonst zu nachtschlafender Zeit aufgestanden zu sein, zerrte an meinem Lebenswillen. 

Auf jedenfall waren wir pünktlich. Um neun waren wir abfahrbereit. Pünktlich.

Etwa eine Stunde später hörten wir von draußen lautes Geknalle. Vor dem Hotel wurden Chinacracker gezündet und eine aufwendig geschmückte Limosine fuhr vor. Aus dieser Limosine stieg ein Mann in Anzug und verschwand im Hotel. Wenig später erschien der Mann im Anzug mit einer Frau in weißem Kleid auf dem Rücken wieder, verfrachtete sie in die Limosine, welche unter lautem Chinacracker-Gekrache wieder verschwand. Ah ja, andere Hochzeit.

Etwa zu dem Zeitpunkt fiel uns eine alte Weisheit ein, die uns schon in Peking zugetragen wurde: Die einzigen, die bei einer chinesischen Hochzeit pünktlich sind, sind die Deutschen! Etwa zwei Stunden (!!!) nach neun, also um elf (!!!) erschienen ein paar Autos. Nachdem kurz durchgezählt wurde, wer alles mitfahren will, wurde hektisch telefoniert, denn es war ein Auto zu wenig da. Nachdem das fehlende Auto auch endlich da war und alle Autos entsprechend geschmückt waren, ging es schon zweieinhalb Stunden nach der vereinbarten Zeit los. 

Der Konvoi fuhr ca. 10 Minuten lang durch Qinzhou zum Haus der Eltern der Braut. Es war ganz interessant mal einen Blick abseits der Hauptstraßen schweifen zu lassen, auch wenn das Bild nicht unbedingt ermutigend war, die Gegend und die Gebäude sahen mitunter doch recht runtergekommen aus. Beim Haus angekommen erwarteten uns ebenfalls Chinacracker – kannten wir ja schon. Nach dem Feuerwerk betrat die ganze Meute das Haus und jeder wurde vom Vater der Braut begrüßt und bekam einen roten Umschlag mit Geld drin überreicht. An dieser Stelle hatten die roten Umschläge rein symbolischen Charakter, da war auch nicht viel Geld drin. 

Nach der Begrüßung stürmten wir zwei Etagen weiter nach oben, wo sich die Braut mit ihren Brautjungfern verbarrikadiert hatte. Der Bräutigam musste nun in einer Reihe von Spielen die Gunst der Braut gewinnen und so Einlass einfordern. Oder so. Jedenfalls musste er Geld durch die Tür stecken und dann singen. Schade, dass er nicht mehr Geld dabei gehabt hat. Dann musste der Trauzeuge auch noch mitsingen. Und ich Idiot lass die Kreditkarte im Hotel liegen… 

Schließlich wurde die Bastion der Frauen irgendwann erfolgreich gestürmt und der Bräutigam und sein Gefolge mussten die Hochzeitsschuhe der Braut finden. Ob ihr es glaubt oder nicht, auf dem Hochzeitsvideo sieht man in der Szene einen Verwandten der Braut (der aber offensichtlich auch auf der Seite des Bräutigams war) in dem Zimmer stehen und die Zimmerdecke absuchen*. Irgendwann waren die Schuhe schließlich auch gefunden und der Braut an die Füße gesteckt. Jetzt musste Niko die Liebe seines Lebens auf dem Rücken die zwei Etagen wieder hinunter zum Auto tragen, wobei er weder auf die Stufe zum Haus treten durfte – er musste einen großen Schritt darüber tun – noch durfte er seine Braut ungeschützt der Sonne dem Smog aussetzen – dafür musste die Trauzeugin einen roten Schirm aufspannen, unter dem die beiden die drei Schritte bis zum Auto zurücklegten.

Eigentlich hätte dieser Teil der Zeremonie deutlich umfangreicher ausfallen sollen, wie ich erst vor wenigen Tagen erfahren habe. Aber da man sich morgens so großzügig verspätet hatte, fielen weite Teile des Programms einfach weg.** Immerhin wurde noch einmal gechinacrackert und dann ging es – auf einer anderen Route, das war auch sehr wichtig – zurück zum Hotel, wo sich schon wieder Chinacracker ihrem Schicksal fügten. 

Das Hochzeitspaar bezog die Hochzeitssuite, den Eltern des Bräutigams wurde Tee gereicht und es wurden rote Umschläge getauscht. Diese kleine Teezeromonie hätte auch andersrum stattfinden sollen, ist aber wie gesagt aus Zeitgründen ausgefallen. So wirklich feierlich war diese Zeremonie aber leider nicht. Der Raum war voller Menschen – ich weiß nicht so genau wo die herkamen oder wo sie hingehörten, aber irgendwie waren plötzlich eine Menge Chinesen dabei, die wir vorher nicht gesehen haben – und diese Menschen haben Unruhe und Lärm verbreitet. Da wurde gequatscht, diskutiert, telefoniert und mittendrin fast nebenbei Tee gereicht und getrunken und dann war alles auch schon wieder vorbei. Der nächste Tagesordnungspunkt war dran: Essen. 

Erstaunlicherweise werden Termine, die mit Essen zu tun haben, in China wiederum sehr ernst genommen, jedenfalls wurde uns keine Zeit für eine kleine Verschnaufspause gelassen. Das Essen war gewohnt umfangreich, gewöhnungsbedürftig und lecker. Interessant war vielleicht die Tatsache, dass es ohne das Brautpaar stattfand, die beiden durften verschnaufen. Tse.

Nach dem Essen kam auch ich endlich zu meinem langersehnten Mittagsschlaf, aus dem ich gegen 17 Uhr vollkommen gerädert wieder erwachte. Weil der Wecker geklingelt hatte. Weil wir nämlich um 17:30 Uhr zum Empfang der restlichen Hochzeitsgäste unten vor dem Hotel verabredet waren und weil es um 18 Uhr schon wieder Essen geben sollte, also das Essen.

Als wir dort unten ankamen, dachte ich zunächst, wir hätten den siebten Kreis der Hölle betreten: Überall waren Menschen! Drei davon trugen auffallend weiße Kleider, ein paar andere anständige Anzüge, der Rest wuselte durch die Eingangshalle des Hotels und überall stellten sich Gruppen von Menschen zu Fotos auf, vorzugsweise in der Nähe der weißen Kleider. Ach ja, die anderen Hochzeiten. Am gleichen Tag wurden in dem Hotel sechs Hochzeiten gefeiert – drei vormittags, drei abends. 

Wir stellten uns einfach mal zu dem weißen Kleid, in dessen Nähe die meisten Langnasen rumstanden und ich versuchte angestrengt einen gleichermaßen wachen als auch freundlichen Gesichtsausdruck auf die Reihe zu kriegen. Offensichtlich war der Empfang schon eine Weile im Gang. Der Ablauf war folgender: Der Cousin der Braut*** verifizierte einen empfangsbereiten Besucher auf der Gästeliste, das Brautpaar schüttelte Hände, die Trauzeugin reichte eine Schale mit Snacks und Zigarretten und der Trauzeuge bot Feuer an, um wahlweise Snacks oder Zigarretten zu entzünden. Wir hatten eigentlich nichts anderes dabei zu tun, als dekorativ in der Nähe zu stehen, für den Fall, dass fotografiert wurde, was relativ häufig der Fall war. 


Das Hochzeitsbanket geht gleich los

Glücklicherweise wurden wir von Jianying recht bald in den Festsaal zu unseren Plätzen geführt. Jianying ist eine Freundin von Lixia, kommt aus einer Nachbarstadt von Qinzhou und ist die verlobte von Nikos Kollegen Markus, den wir zu dem Zeitpunkt ebenfalls kennenlernten. Da die offiziell engagierte Übersetzerin bei den Familien des Brautpaars eingespannt war, kümmerten sich Jianying und Markus fürsorglich um uns und übersetzten und erklärten alles mögliche, was wir im Laufe des Abends so fragten. Und das war nicht wenig. 

Zum Beispiel erklärte man uns auch die Rolle der roten Umschläge, die nun ausgetauscht wurden. Dieses Mal wurden die Umschläge von den Hochzeitsgästen an das Brautpaar gegeben und dieses Mal hatten sie nicht nur symbolischen Charakter. Vor dem Festsaal war ein Tisch hinter dem zwei Familienbuchhalter saßen. Dort gab man seinen Umschlag mit entsprechend Geld drin und Namen drauf ab. Die beiden übertrugen dann Namen und Betrag in ein großes Buch. Das Geld dient dazu, das Hochzeitsbankett zu finanzieren – also wie bei uns die Hochzeitsgeschenke aus der Hochzeitsliste, nur eben –  wie so vieles in China –  direkter. Dass man aufschreibt, wer wieviel gegeben hat, hat den Hintergrund, dass man im Falle einer umgekehrten Gast-Gastgeber-Situation genausoviel bzw. -wenig in den roten Umschlag packt und sich so keine Blöße gibt. 

Nachdem ich also meinen Umschlag mit ein bißchen Geld drin und sehr unleserlich geschriebenem Namen drauf abgegeben hatte, bezog ich Warteposition an dem uns zugewiesenen Tisch. Unser Tisch war der zweitprominentest platzierte Tisch im ganzen Saal, direkt neben dem Tisch des Brautpaars und der Familien. Aber das war mittlerweile auch irgendwie egal, man hatte sich inzwischen schon völlig daran gewöhnt, dass man von allen anderen Gästen mit aufrichtiger Faszination angestarrt wurde. Ich hatte damit keine Probleme, ich denke, als Superstar würde ich mich ganz gut machen.****

Auf der Bühne spielte bereits die Hochzeitsband und der Saal füllte sich nach und nach mit mehrheitlich chinesischen Hochzeitsgästen, bis er irgendwann voll war. Ich zählte 18 Tische a 10 Sitzplätzen, es gab aber noch ein paar Durchgänge zu weiteren Räumen und wie ich später erfuhr waren auch noch eine Etage höher ein paar Tische, insgesamt standen 48 Tische bereit und es wurde so mit mindestens 400 Gästen gerechnet. 


Das Brautpaar nach dem Einmarsch

Es dauerte gar nicht lang eine Ewigkeit, bis endlich alle Gäste da waren und das Brautpaar endlich einmarschieren durfte. Das muss man sich jetzt so ein wenig vorstellen, wie eine Mischung aus einer Hochzeit in amerikanischen Filmen, einem Empfang auf dem roten Teppich und einer japanischen Fernsehshow. Das Brautpaar marschierte zum klassischen, wenn auch lauten, Hochzeitsmarsch ein, während ein Blitzlichtgewitter auf sie hinab… blitzgewitterte. Auf der Bühne erwartete sie eine Moderatorin, die unentwegt etwas erzählte, während Braut und Bräutigam diverse zeremonielle Dinge erledigten: Ringe tauschen, küssen, Champagnerpyramide in Gang bringen, Torte anschneiden, was man so kennt. Die Musik war immer noch an und die Moderatorin redete die ganze Zeit, als würde sie eine Sportveranstaltung kommentieren, es war wirklich wie eine Fernsehshow. Also, auch sehr unterhaltsam. Was jetzt aber nicht daran lag, dass Niko sich so schwer getan hat, mit dem Öffnen der Champagnerflasche. Wirklich nicht. 

Nachdem die Show vorbei war, kehrte Ruhe ein. Die Braut zog sich zurück, um das Kleid zu wechseln – von weiß zu rot, ihr erinnert euch?  – die Gäste nahmen Eßpositionen ein und Essen wurde gebracht. Endlich wieder essen. Es war sogar ruhig und entspannt genug, dass man sich über den Tisch hinweg mit jemandem unterhalten konnte, wenn man das wollte. Aber in China will das niemand. Diese Stille dauerte nämlich nur exakt 20 Sekunden, dann legte die Band wieder los. 


Die Hochzeitsband “Mamba”

Wenn es etwas gibt, was die Chinesen wirklich nicht ausstehen können, dann ist das Ruhe. Stille und Ruhe sind in China gleichbedeutend mit Tod und Verderben*****, sie werden stets und überall mit größtmöglicher Lautstärke bekämpft. Später habe ich erfahren, dass man sie nicht umsonst Die Italiener Asiens nennt.

Das heißt jetzt nicht, dass die Band schlecht war, im Gegenteil, zumindest der Sänger hatte es ziemlich drauf. Der Rest hat jetzt vielleicht nicht immer in der gleichen Tonart oder im gleichen Takt gespielt, aber so an sich fand ich die Jungs schon recht sympatisch. Wie wir später erfahren haben, heißt die Band tatsächlich so, wie das Schlagzeug auf dem sie gespielt haben: Mamba und kommt direkt aus Qinzhou. Sie spielen häufiger auf Hochzeiten, machen aber privat ganz andere Musik – ich hab leider nicht verstanden, was für welche. Eine Website oder CD gibt es noch nicht (ich hätte sie gekauft) und meine Idee, sie in Deutschland als „Qinzhou Hotel“ groß rauszubringen, fanden leider nur die anwesenden Deutschen lustig. Wir haben aber nach ihrem Konzert noch ein paar Fotos zusammen gemacht und ich denke, da wir ja die exotischen Ehrengäste waren, haben sie sich auch ein wenig darüber gefreut.


Das Hochzeitsessen

Wir haben trotz des Lärms versucht, das Essen zu genießen, was in Qinzhou nicht immer zu 100% nach unserem Geschmack war. Da waren viel Innereien und kaltes Geflügel und dergleichen dabei, wovon ich lieber die Finger gelassen habe. Aber ein paar sehr leckere Spezialitäten waren eben auch dabei. Die Froschschenkel habe ich ja gestern schon erwähnt, hier noch ein paar andere Sachen, die im Laufe der paar Tage den Weg auf unseren Tisch und in meinen Gaumen gefunden haben: Muscheln mit viel Knoblauch (meine war sandig und hat stark nach Knoblauch geschmeckt), Schnecken (waren eher gummiartig, aber ok), Schweinefuß (sehr lecker, wenn man am Fett vorbei war), Aalbauch (sehr fettig und komische Konsistenz, aber irgendwie auch ganz gut), Krabbe (aufwendig zu essen, aber verdammt lecker!), Garnelen (siehe Krabbe) und überbackene Auberginen (sehr lecker, davon könnte mal jemand das Rezept besorgen). 


Das Hochzeitsessen

Im Laufe des Abends habe ich Jianying gefragt, was es mit den Hunden auf sich hat, ob man die denn dort in der Gegend essen würde. Man tut es. Zwar hauptsächlich im Winter, weil dem Fleisch wärmende Eigenschaften zugesprochen werden, aber man tut es. Allerdings unterliegt das Hundefleisch keiner staatlichen Lebensmittelkontrolle und der Handel damit ist auch verboten, falls euch also mal jemand in China Hund andreht, kann es sprichwörtlich alles sein: Von Rassehund bis zum Tollwutköter. Mich hat auch interessiert, welche Rassen besonders beliebt sind: Farmers Dog – Schäferhund. Ausgerechnet. 


Das Brautpaar

Eine Sache, die uns vor dem Chinaurlaub immer wieder mal beschäftigte, war die Etiquette bei Tisch, neben der Taxiwahl sicher die zweitgefährlichste Sache in China, wenn man dem Glauben schenkt, was wir so gelesen haben. Ganz ehrlich: Es ist scheißegal! Es hat niemanden interessiert, wie wir essen oder was wir essen oder warum wir essen. Man sollte allerdings darauf vorbereitet sein, dass die Chinesen umgekehrt gleiches Desinteresse erwarten, wenn sie ihr Essen auf den Boden spucken oder dergleichen veranstalten. Ich will hier nicht von Kulturschock sprechen, aber anders war das schon. 

Während wir nun mit dem angenehmen Teil des Abends beschäftigt waren und eine schöne Zeit hatten, war für das Brautpaar und TrauzeugenInnen harte Arbeit angesagt: Anstoßen! Die Tradition verlangt es nämlich, dass das Brautpaar an jedem Tisch mit allen Gästen anstößt und zwar mit Schnaps. Man muss kein Algebra-Genie sein, um ausrechnen zu können, dass bei 48 Tischen eine gewisse lebensgefährliche Promilligrenze überschritten werden dürfte und so bedient man sich eines kleinen Tricks: Das Brautpaar stößt jeweils mit einer alkoholfreien Ersatzflüssigkeit an. Der Trick ist zwar weitesgehend bekannt und wird von einigen Hochzeitsgästen auch aufs Schärfste sabottiert, aber insgesamt hat die Strategie funktioniert. Das Brautpaar kam nach vielleicht anderthalb Stunden ziemlich nüchtern zum eigenen Tisch zurück. Freilich nicht, um etwas zu essen, sondern um gleich wieder die Bühne zu betreten und für Gruppenfotos in zahlreichen Variationen zu posieren. 


Fotoshooting

Das Bankett dauerte zu diesem Zeitpunkt etwa zwei Stunden. Ich hatte mich mittlerweile komplett auf das Zerlegen von Garnelen zerlegt, da ich reichhaltigere Nahrung nirgendwo mehr unterbringen konnte, der Festsaal sah aus wie ein Schlachtfeld und an den ersten Tischen waren deutliche Auflösungserscheinungen sichtbar. Das macht man so in China, wir wurden vorgewarnt, und doch war es sehr verstörend: Während das Brautpaar noch mitten in diversen Fotosessions steckte, packten die Gäste, die sich satt gegessen hatten, das übrige Essen in mitgebrachte Schalen und Tüten und suchten das Weite. Während also das Brautpaar kaum Gelegenheit hatte, auch nur einen einzigen Happen des Hochzeitsbanketts, das ihnen zu Ehren stattgefunden hatte, zu sich nehmen konnte, räumte das eifrige Personal bereits in großen Waschwannen das dreckige Geschirr von den Tischen und trug die Kunstblumen-Dekoration aus dem Saal. 


Das Hochzeitsbankett ist auch schon wieder vorbei

Immerhin hat die Zeit für einige gereicht, sich der Gelegenheit angemessen zu betrinken. Eine schöne Szene bot einer der chinesischen Herren, als er versuchte mit meiner Liebsten zu kommunizieren: „CHIIINEEEEESE!!!!!“ Äh, ja? „CHIIIIIIIINEEEEEEEEEEESE!!!!!“ Uhm, what? „CHHIIIIIIIIIIIIIIIIIIIINEEEEEEEEEEEEEEEEESE!!!!!!!!!!!!!!!“ 

Jianying übersetzte für uns: Chinesen sprechen chinesisch. Na, wieder was gelernt. 

Ganz vorbei war die Party nach dem Essen aber zum Glück nicht. Ein kleiner Teil der Hochzeitsgesellschaft – vielleicht so 20 oder 30 Leute – machten sich noch auf in eine kleine Karaoke-Bar. Okay, es war die wohl größte Karaoke-Bar, die Qinzhou zu bieten hat, schließlich waren Gäste dabei, die man beeindrucken wollte. Und so führte man uns ahnungslose Europäer in eine kleine Großraumdiskothek, die wir exklusiv für uns hatten und die mit Großbildleinwand, mehreren Monitoren und viel Lärm ausgestattet war. 

Auf der Leinwand wurden Musikvideos und Texte eingeblendet, die zunächst nur auf chinesisch erschienen, weil zunächst auch nur Chinesen dazu gesungen haben. Es hat ein Weilchen gedauert bis sich die ersten Deutschen getraut haben, aber die Stimmung löste sich irgendwann. Schließlich trug der Inhaber des Etablissements maßgeblich dazu bei, indem er Amüsierdamen mit Würfelbecher bewaffnet unters Partyvolk mischte. Ich fand das ja ganz drollig: Das waren keine Prostituierten, wie ich zunächst vermutete, sondern Damen, die mit Trinkspielen den Bierabsatz ankurbeln sollten. Schnaps gab es übrigens keinen und das Bier hatte nur 3,6%, obendrein wurden ständig Tee und diverse Säfte gereicht. Ganz ehrlich: Verstanden habe ich das Konzept nicht. 

Obwohl ich gesundheitlich recht angeschlagen war, hatte das Bier keinerlei Wirkung auf mich. Ich habe einpaar Flaschen davon getrunken, aber den Laden nach ein paar Stunden vollkommen nüchtern wieder verlassen. Wir sind relativ früh gegangen, nach ein paar Stunden ging mir der Lärm etwas auf den Keks, Dauerstroboskop und Lasershow (!) taten ihr übriges. Ich war einfach müde und fertig, leider. Gesungen habe ich – zum Wohle aller – übrigens auch nichts. 

Aber Erzählungen anderer Überlebender zu Folge, haben es die meisten Chinesen trotz der widrigen Umstände ohne Probleme geschafft, sich komplett abzuschießen und die stillen Örtlichkeiten recht unappetitlich zu dekorieren. 

Ach ja, jetzt hätte ich das fast vergessen: Prost auf chinesisch heißt „Ganbei„, was soviel bedeutet, wie trockenes Glas. Man konnte sich bei den Chinesen unglaublich beliebt machen, wenn man regelmäßig „Ganbei!“ rief und daraufhin mit ihnen anstieß. Und das war auch kein Problem, da das Bier stets in sehr kleinen Gläsern ausgeschenkt wurde. Aber wie gesagt, bei einigen Chinesen scheint das auch zu reichen. 

Wir haben die Fahrangebote der mittlerweile stark alkoholisierten Fahrer ausgeschlagen und sind ohne Umwege zurück ins Hotel, wo ich in ein wohlverdientes Koma fiel.  Das war er also, der eine Tag, wegen dem diese Reise überhaupt stattgefunden hat. Ich war urlaubsreif.

 

* 100 Punkte für den, der errät auf welchen großartigen Film der Gute sich dabei – vermutlich unfreiwillig – bezieht.

** Und falls hier irgendwie der Eindruck entstehen sollte, dass ich mich über das alles distanziert-zynisch lustig mache, dann möge man mir den lachsen Schreibstil verzeihen: Ich fand den Teil wirklich cool und es auch ziemlich schade, dass es so hektisch und am Ende ja auch unvollständig abgespult wurde.

*** Wobei das geraten ist, in welchem Verwandtschaftsgrad er wirklich zur Braut stand, blieb bis zu letzt ein wohlbehütetes chinesisches Geheimnis.

**** Ähem.

***** Dafür gibt es keinen Beleg, aber ich finde meine Theorie sehr schlüssig.

  1. Ich bin für gewöhnlich kein grosser Karaoke Fan. Jedoch die Tatsache, dass man mit Sicherheit nicht verstanden wird bzw. irgendeiner überprüfen könnte, ob man den Text trifft, führte in dieser Situation zu mutigen und leidenschaftlichen Gesangsbeiträgen: „Mich versteht hier keine Sau, Willkommen in Qinzhou! Oh Yea, Ufta Ufta“ (Der Rheim passt, weil die Aussprache von Qinzhou hinten auf „au“ lautet). Das Publikum war begeistert…

  2. sehr interesant wie so eine hochzeit abgeht.was das alles gekostet haben muss? riesen essen,disco mieten,oh da wird einem ja schwindelig.

  3. @doedelmeier: Das nächste Mal bitte auf Video festhalten lassen und dann auf Youtube damit!!!

    @Heiko: China ist ein bißchen billiger. Ich würde mal ca. 8 – 10 EUR pro Person fürs Essen veranschlagen – das ist in etwa das, was wir sonst auch in Restaurants bezahlt haben. Dann darfst du nicht vergessen, dass die Leute auch Geld abgegeben haben, was die Finanzierung des Essens ja auch unterstützt. Da ist schon einiges zusammen gekommen, wie ich gehört habe. Da kam insgesamt zwar trotzdem genug an Kosten zusammen, aber es war noch im irdischen Rahmen.

  4. Was vielleicht noch zu erwähnen wäre ist, dass einige Leute beim Mittag noch länger geblieben sind und sich mit der Familie der Braut (nur Männer) noch ganz interessant unterhalten haben. Soweit jedenfalls wie das möglich war. Das Interesse an den Langnasen war wirklich groß, man hat uns regelrecht ausgefragt, ließen es uns aber auch nicht nehmen Fragen zurückzugeben. Schade dass Du das verpasst hast.

  5. Danke, jetzt weiß ich ein bißchen mehr über China. Beim lesen Eurer Berichte hatte ich viel Freude und und habe mich kringelig gelacht.
    Mein Sohn, Du hast Dich jetzt geoutet. In Zukunft gibt es kein Erbarmen für das ablehnen meiner köstlichen Speisen. Ich sage nur Muscheln und so.

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