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China Tag 11 – In die Provinz

Nach elf Tagen in China begann nun der Teil, wegen dem wir überhaupt hier waren. Ohne Nikos Hochzeitspläne wäre mir eine Reise nach China so schnell nicht in den Sinn gekommen. Und dieser Teil der Reise war auch was unsere Planungen anging am wenigsten durchgeplant. Wir hatten eine ganze Menge Informationen von Niko bekommen, der die Strecke ja regelmäßig zurücklegt, aber für uns war das einfach unentdecktes Land und so manches Mal hatte ich schon das Gefühl, das Schicksal herauszufordern, auch wenn am Ende alles geklappt hat.

Hier nochmal die Route, die wir vor uns hatten:

  1. Hong Kong Hauptbahnhof – Guangzhou Bhf  (Zug, 2 Std)
  2. Guangzhou Bhf – Guangzhou Flughafen (Taxi, 30 Min)
  3. Guangzhou Flughafen – Nanning Flughafen (Flugzeug, 1 Std)
  4. Nanning Flughafen – Nanning Busbahnhof (Taxi, 30 Min)
  5. Nanning Busbahnhof – Qinzhou Busbahnhof (Bus, 2 Std)
  6. Qinzhou Busbahnhof – Qinzhou Hotel (Taxi, 10 Min)

Die Zugfahrt verlief ohne Probleme, wenn man vielleicht mal davon absieht, dass wir unser Gepäck eingecheckt haben, was wir nicht hätten tun müssen und was uns ca. 10 EUR extra gekostet hat.

In Guangzhou (Kanton) haben wir es geschafft, allen Warnungen und Hinweisen zum Trotz ein inoffizielles Taxi zu erwischen. Glaubt man den vielen Reiseberichten und Warnungen, die wir im Vorfeld gehört haben, ist das wohl das Schlimmste und Gefährlichste, was man tun kann in China. Als wir durch den Zoll durch waren, haben wir zunächst alle Fahrangebote tapfer abgewehrt. Doch dann kamen wir an einen recht offiziell aussehenden Stand über dem ganz offizielle „Taxi“ drüber stand. Dort sprach man auch noch Englisch und so haben wir uns auf das Angebot, für 25 EUR zum Flughafen gebracht zu werden, eingelassen. Erst als der Fahrer uns in die Tiefgarage zu einer schwarzen Limosine geführt hat, ist uns klar geworden, dass das kein offizielles Taxi war.

Nun, wir haben uns also für etwas mehr als den doppelten Preis einen schicken Limosinenservice statt einer schnöden Taxifahrt gegönnt. Man ärgert sich dann natürlich ein wenig, dass man drauf reingefallen ist, aber wirklich weh hats uns ja dann auch nicht getan und der Fahrer hat uns auch ganz normal zum Flughafen gebracht. Da haben wir auch schon ganz andere Geschichten gehört.

Am Flughafen in Guangzhou gabs für uns dann eine echte Schrecksekunde: Beim Checkin wollte man uns keine Tickets geben. Offenbar haben wir beim Buchen der Tickets einen Fehler gemacht und die Passnummern vertauscht oder uns da irgendwie vertippt. Jedenfalls weigerte sich die Frau am Schalter, uns einchecken zu lassen. Da mussten wir dann schon kurz mal tief durchatmen. Im Endeffekt war das aber auch kein Problem, wir wurden zu einem Supervisor geschickt, wo die Sache dann relativ unspektakulär geklärt wurde.

Nach einem ereignislosen Flug in einem sehr kleinen Flugzeug erreichten wir Nanning, die Hauptstadt der Provinz Guangxi. Dort waren wir sehr darauf bedacht, ein offizielles Taxi zu bekommen und uns nicht über den Tisch ziehen zu lassen. Das Ergebnis dieser Bemühungen war dann die folgende Szene:

Als wir am Taxistand ankamen, kam sofort ein Fahrer auf uns zu. Lixia, die Braut der morgigen Hochzeit, war so nett, uns die wichtigen chinesischen Sätze für diese Tour zu übersetzen und auf diesem Zettel stand auch der Satz: „Bringen Sie mich bitte zum Busbahnhof!“ Nachdem der Taxifahrer das gelesen hatte, sagte er sofort: 100 Yuan, also 10 EUR. Das erschien uns erstens zu teuer und zweitens wussten wir, dass man Taxifahrer immer dazu nötigen soll, das Taxameter einzuschalten, damit sie nicht bescheißen können. Der Sache haben wir also erstmal nicht getraut und so holten wir eine zweite Meinung ein, bei einem Taxifahrer der gerade angefahren kam.

Während dieser einen Blick auf den Zettel warf, sprach Taxifahrer 1 irgendwas zu ihm und danach bekamen wir von Taxifahrer 2 die gleiche Antwort: 100 Yuan. Da brauchten wir nicht mal eins und eins zusammen zählen, die Sache war sowas von klar: Die wollen uns abziehen. Ich habe mein Handy gezückt und via SMS von Niko eine Preisauskunft eingeholt. Während wir auf die Antwort gewartet haben, hat sich eine respektable Menschenmenge um uns herum versammelt. Da standen gut 20 Taxifahrer, die alle miteinander diskutierten und fachsimpelten, wie man diese Langnasen wohl am besten ausnehmen könnte. Ich habe noch ein paar mal versucht, auf das Taxameter (bzw. auf ein Hinweisschild dazu am Taxi) hinzuweisen, doch erntete dafür nur Kopfschütteln. Taxifahrer 1 ging mir dann irgendwann ziemlich auf den Keks. Er stand die ganze Zeit vor mir und sprach auf kantonesisch (glaub ich) auf mich ein. Ich mein, hey, wie kommt er darauf, dass ich auch nur den Hauch einer Ahnung habe, was er da redet? Irgendwann war es mir zu bunt und ich habe den Spieß umgedreht. Es entwickelte sich sinngemäß folgender Monolog meinerseits: „Pass mal auf, du kannst mich hier zulabern wie du willst, aber es dürfte dir mittlerweile aufgefallen sein, dass ich kein Wort Chinesisch spreche, in etwa so wie du kein Wort Deutsch sprichst und genauso wenig von dem verstehst, was ich dir gerade erzähle. Jetzt siehst du mal, wie das ist! Also lass mich bitte in Ruhe!“ Er hat mich angeschaut wie ein Auto, aber die Botschaft ist wohl angekommen und er hat mich in Ruhe gelassen. Meine Liebste meinte hinterher, ich wäre sehr gereizt gewesen und man hätte einen leicht aggressiven Tonfall in meiner Stimme wahrgenommen. Aber das weise ich entschieden von mir, ich wollte ihm ja keine Angst machen oder sowas.

Irgendwann kam dann auch endlich die Antwort von Niko, dass 100 Yuan schon fast ein Freundschaftspreis wären. In dem Moment kam eine Taxifahrerin auf uns zu, die sich bisher weitesgehend rausgehalten hatte und die uns dann unter dem Gelächter ihrer Kollegen zum Busbahnhof fahren durfte. Und so peinlich uns die Geschichte hinterher auch war, wir haben uns dabei wohl äußerst chinesisch verhalten, wie uns später noch klar werden sollte.

Mit Hilfe unseres Zettels haben wir am Busbahnhof ohne Probleme die Tickets gekauft und sind irgendwann auch in den richtigen Bus eingestiegen. Da spätestens hier Englisch wirklich nicht mehr funktionierte, habe ich angefangen, die Schriftzeichen miteinander zu vergleichen, einfach um sicher zu gehen, dass der Bus wirklich nach Qinzhou fährt. Nach Einbruch der Dunkelheit hatten wir das Ziel endlich erreicht. Ich habe per SMS nochmal eindeutig darauf bestanden, dass uns Niko und Lixia dort beim Busbahnhof empfangen, denn eine weitere Taxi-Diskussion wollte ich uns ersparen. Das haben die beiden auch getan und wir sind mit einem sehr interessanten dreirädrigen Gefährt zum Hotel gebracht worden.


Taxi Fahrt in Qinzhou

Ich habe an dem Tag sehr wenige Fotos gemacht, ich verweise hier mal auf die Fotos von Thomas. Wer erwartet, dass China in der einer der ärmsten Provinzen wirklich arm und heruntergekommen aussieht, der täuscht sich. Die Gegend sieht auf den ersten Blick auch nach westlichen Maßstäben ganz gut entwickelt aus. Überall sind neu gebaute große Gebäude oder Baustellen, die eben solche Gebäude errichten. Die Straßen sind fast ausschließlich dreispurig und sehr großzügig angelegt und überall mit Grün- und Buntpflanzen dekoriert. Man könnte es auf den ersten Blick als recht ordentlich bezeichnen.

Auf den zweiten Blick werden einem aber so ein paar Unstimmigkeiten bewusst: Die Bauwut die dort in den letzten Jahren herrscht wirkt insgesamt recht kühl und charakterlos. Man kann kaum einen Unterschied feststellen, zwischen Nanning, Qinzhou oder Guangzhou. Die Städte sahen alle gleich aus. Wenn man den Blick mal abseits der großen Straßen und Neubauten schweifen ließ, sind einem viele heruntergekommen und zerfallene Häuser oder Behausungen aufgefallen. Da visualisierte sich das, was wir vorher schon gelesen haben, nämlich die große Schere, die zwischen Arm und Reich klaffte.

Die Busfahrt von Nanning nach Qinzhou führte uns zwei Stunden lang über eine große dreispurige Autobahn. Aber diese Autobahn war leer und der Grund dafür waren nicht, die fehlenden Autos, sondern vielmehr die Maut, die sich nicht jeder leisten kann. Die meisten waren auf den weniger gut ausgebauten einspurigen Landstraßen unterwegs, die wir später auch noch kennenlernen sollten.

Und dann war da noch der Smog. Es ist absolut unklar, wo der herkommen soll. Beim Landeanflug in Nanning sieht man zwar wenig Bäume in der Gegend aber sonst weit und breit nur grüne Felder. Auch die Busfahrt fürhte uns weitesgehend durch Felder und sogar halbwegs unberührte grüne Landstriche. Wo zur Hölle kommt der Smog her? Die einzige Antwort, die ich darauf gefunden habe, waren die vielen Autos und Mopeds, die dort wohl anderen Umweltrichtlinien folgen, als bei uns. Zweitakter sind dort noch recht beliebt.

Am Abend fand ein großes Abendessen statt, bei dem die anderen deutschen Hochzeitsgäste, das Brautpaar, Vater und Cousin der Braut, zwei Brautjungfern und die Übersetzerin Vanessa dabei waren. Das Essen war in vielerlei Hinsicht interessant. Zum einen war das das erste Essen in China, wo wir nicht selber wählen konnten, was auf den Tisch kommt. Die Gastgeber – die Familie der Braut – haben ausgewählt und nur das Beste auffahren lassen. Immerhin durften wir selber wählen, was wir davon auf unsere Teller oder Schüsseln und schließlich auch in unseren Mund bewegten. An diesem Abend hab ich meine ersten beiden Froschschenkel gegessen – und ja, sie schmeckten tatsächlich wie Hühnchen.

Und dann war der Abend ja auch dazu gedacht, sich etwas näher kennenzulernen. Ich saß genau neben den beiden Brautjungfern, die beide auch ein wenig Englisch sprachen. So kamen wir irgendwann auch ins Gespräch und ich wurde gefragt, ob ich denn die beiden wieder erkennen würde, so auf der Straße und so. Zumindest war es das, was ich verstanden habe und ich habe versucht auf halbwegs charmante Weise zu erklären, dass Chinesen für uns Europäer alle gleich aussehen und ich sie wahrscheinlich nicht wieder erkennen würde. Keine Ahnung, ob mir das wirklich gelungen ist und ob es auch noch charmant war. Was sie mit ihrer Frage eigentlich meinten: Sie saßen in dem gleichen Bus von Nanning nach Qinzhou wie wir, ob wir sie denn nicht wiedererkennen würden. Tja.

Aber es gab auch Informationen, die ohne Probleme ausgetauscht werden konnten. Die Brautjungfern tuschelten miteinander irgendwas auf chinesisch und kicherten albern, dann beugte sich eine von beiden zu mir rüber und flüsterte mir schüchtern ins Ohr: „Your girlfriend is very beautiful!“ Dem konnte ich nicht widersprechen…


Ausblick aus dem Hotel in Qinzhou

Und dann musste während des Essens ja noch der genaue Ablauf der Hochzeit geplant werden. Das Programm stand in einem groben Rahmen schon fest: Bräutigam und Trauzeuge werden morgens von einem Auto abgeholt, um mit diesem dann die Braut im Haus der Eltern abzuholen. Es geht dann zurück ins Hotel und dort findet Abends das Bankett statt. Soweit der Rahmen. Aber innerhalb dieses Rahmens wollten viele Details geklärt werden, wer wann wem einen roten Umschlag überreicht, wo wer mit wem Tee trinkt und wer überhaupt alles in den Autos mitfährt. Die Besetzung von Braut und Bräutigam standen immerhin nicht mehr zur Disposition.

Innerhalb der chinesischen Fraktion der Abendgesellschaft wurde sehr viel diskutiert, Vanessa hat sich sehr bemüht, konnte aber doch nur auszugsweise übersetzen. Ruft euch die Szene aus Lost in Translation ins Gedächtnis, wo Bill Murray die Regieanweisung übersetzt bekommt, und dann habt ihr in etwa ein Bild, wie das Abendessen aussah. Aber am Ende stand sowas wie ein Plan fest: Um 9 Uhr des folgenden Morgens kommen ein paar Autos, in die der Bräutigam mitsamt aller männlichen Gefolgsleute einsteigen sollte. Man hatte während der Diskussionen festgestellt, dass die Braut ja auch mehr als eine Brautjungfer hatte und Niko daher als Gegengewicht soviele Freunde wie möglich mitbringen muss. Nun, ok, also stellte ich meinen Wecker auf 7:45 Uhr (!!!), um rechtzeitig und in Schale um 8:30 Uhr (!!!) beim Frühstück zu sein, damit wir um 9 Uhr (!!!) fertig und abfahrbereit sind.

Inzwischen waren aus meiner leichten Verschnupfung vom Vortag respektable Halsschmerzen geworden. Der Cousin der Braut hat mir ein paar Tabletten organisiert, die – nachdem ich mir die Packungsbeilage von Vanessa übersetzen ließ – in den nächsten Tagen auch wunderbar funktioniert haben. Aber etwas angeschlagen war ich natürlich trotzdem.

  1. tja wer eine reise tut kann was erzählen. ich finde die taxistand story zu geil. 🙂 dabei fällt mir ein-du kennst nicht mal die sprache und dann der böse blick.das ist schon sehr mutig. 🙂

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